Westfjorde – Wetterkapriolen

Westfjorde, viel Natur, wenig Menschen.

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Jacqueline
Über mich

Langsam, aber sicher näherten wir uns den Westfjorden. Dünnbesiedeltes Gebiet, weniger und einfachere Campingplätze, Einkaufs- und Tankmöglichkeiten nur noch in den grösseren Ortschaften, Lebensmittelsortiment sehr rudimentär. Aber ich liebe es so, genauso. Keine grossen Menschenansammlungen und Tagestouristen mehr, dafür viel Natur. Bedingt durch das sehr wechselhafte Wetter, das uns dieses Jahr in Island begleitete, machten wir immer wieder mehrere Tage sogenannte Schlechtwetter-«Aushocken»-Stopps. Es wäre ja schade, durch diese fantastische Landschaft bei allzu schlechtem Wetter zu reisen. Einen Luxus, den wir uns leisten können, denn wir haben die Rückfahrt mit der Fähre immer noch nicht gebucht. Einen dieser längeren Stopps verbrachten wir auf dem Campingplatz Melanes am Rauðasandur.

Campingplatz Melanes

Der Rauðasandur, was roter Sand bedeutet, ist ein gigantischer gelber Sandstrand, wie man ihn von der Karibik her kennt. Nicht rot, wie der Name weis machen soll. Dafür ist die Passstrasse, die dorthin führt, rot. Rot wie ein roter Teppich, der einem zum Prachtstrand geleitet. Wir genossen die Strandspaziergänge und die Abgeschiedenheit dieses Ortes.

Rauðasandur

Auch hatten wir endlich die Motivation, das Motiv, die notwendige Ruhe und vor allem die Menschenleere, um unsere bereits zweijährige, aber noch nie benutzte Drohne auszuprobieren. Wir spazierten auf eine Anhöhe, von wo aus wir den ganzen Sandstrand überblicken konnten. Marcel wurde von mir zum Drohnenpiloten auserkoren – mir fehlt dazu die nötige Ruhe, ich hätte die Drohne ruck zuck im Meer versenkt. Marcel bereitete sich bedacht auf den ersten Flug vor. Checkliste: Verbindung mit dem Mobil-Phone funktioniert, Akkus sind eingesetzt, Wind okay, Probeflug konnte starten. Gesagt getan, alles funktionierte perfekt. Erste einfache, wenn auch etwas ruckelige Flugmanöver waren gemacht, leider vergass er die Kamera einzuschalten. Neuer Versuch mit neuer Batterie. Drohne gestartet, in Position gebracht, Kamera aktiviert, doch plötzlich blinkten alle Warnlampen rot, es piepste permanent und die Drohnen leitete selbständig einen Sinkflug ein. Bei zwei von vier Akkus passierte dies. Wir analysierten das Geschehene und kamen zur Schlussfolgerung, dass die Akkus nicht komplett geladen waren. Nächster Tag, nächster Versuch, diesmal mit vollständig geladenen Akkus. Dieselbe Prozedur wie am Vortag, Checkliste abgearbeitet, Kamera läuft, Drohne ist in der Luft, fliegt von der Klippe weg, Richtung Meer. Drei Sekunde später: Alle Warnlampen blinkten rot und es piepste wieder aufdringlich. Die Drohne hatte erneut selbständig den kontrollierten Sinkflug begonnen, direkt vor uns, die Klippen hinunter, Richtung Meer und weg war sie. In letzter Sekunde konnte ich meinen weltbesten Ehemann zurückhalten, er wäre sonst gleich noch hinterher gesprungen. Minus eine Drohne. Marcels Stimmung war auf dem Nullpunkt. Für mich war das kein Problem, es war ja «nur» eine Drohne. Marcel liess es nicht dabei bewenden, er wollte nachschauen, ob er die kleine Drohne vielleicht doch noch in den Klippen finden würde. Ich konnte es ihm nicht ausreden. Er ging. Ich blieb. Mir war es zu gefährlich. Er kam zurück. Mit Drohne, unbeschädigt, sie hatte eine Notlandung eingeleitet, lag in den Steinen, eine Wimperbreite neben dem Wasser, auf dem Rücken und war am Filmen. Es stellte sich heraus, dass zwei der vier Akkus beschädigt waren, wohlgesagt vom Nichtgebrauchen. Aktion Drohnenflug war somit beendet oder zumindest für eine gewisse Zeit auf Eis gelegt.

Weiter ging unsere Reise Richtung Norden. Vorbei am gigantischen Dynjandi Wasserfall. Leider liess auch bei unserem diesjährigen Besuch das Wetter zu wünschen übrig. Gerne hätten wir diesen prachtvollen Wasserfall einmal im Sonnenschein erlebt.

Dynjandi Wasserfall

Über mehrere Stationen kamen wir an den Ort, wo ich im vergangenen Jahr mein ganz persönliches Trauma hatte. Den Gaskabelbruch an meinem Motorrad. Die Fahrt mit unserm Troopy dorthin war so etwas von entspannt. Wir machten einen kurzen Gedenkstopp am Ort des Übels. In diesem Jahr hatte es dort ein grosses Schneefeld, klar, denn den Sommer musste man in Island richtig suchen. Rauf zur neu erstellten Plattform auf dem Bolafjall, von wo aus wir eine atemberaubende Aussicht auf das Naturschutzgebiet Hornstrandir hatten.

Ort des letztjährigen Gaskabelbruches
Bolafjall-Aussichtplattform

Runter nach Skálavik, einer einsamen Bucht wie sie im Buche steht. Gesäumt von herrlichen Bergen, grauer Kieselstrand, stahlblaues Meer, grünes Gras. Mein ganz persönliches Paradies. Nur sehr wenig Menschen verirren sich hierher. Nur ein paar Isländer, die dort ihre Sommerhäuschen haben. Unseren Troopy platzierten wir auf einer Anhöhe, oberhalb des Strandes mit einem umwerfenden Blick aufs Meer.

Skálavik

So genossen wir einige Tage. Am 31. Juli bemerkten wir ein munteres Treiben, die Isländer brachten Holz an den Strand (halb vermoderte Holzpaletten, alte Holzmöbel, abgeschnittene Äste etc.). Sie stapelten das Holz zu einem grossen Turm auf. Wir fragten uns weshalb? Hat es hier vielleicht Schweizer, die traditionellerweise den 1. August, den Schweizer Nationalfeiertag, bereits am Vorabend mit einem «Höhenfeuer» feiern. Nein, die Isländer hatten an dem diesjährigen 1. August auch einen Nationalfeiertag, den «Commerce Day», zu Ehren der im Verkauf tätigen Isländern. An diesem Vorabend trafen sich die Isländer am Strand, schauten dem grossen Feuer zu und sangen dazu Volkslieder. Es war für uns ein sehr schönes Erlebnis.

Am Folgetag hörten wir zum Frühstück dem 1. August-Radio-Wunschkonzert aus der Schweiz zu. Ich konnte es nicht verkneifen, auch einen Musikwunsch per Email zu schicken, natürlich einen isländischen Musikwunsch. Tatsächlich hatte der Radiosender meinen Musikwunsch erhalten und reagiert mit der Anfrage, ob sie mich in Island anrufen dürfen, auf Sendung 😱. Was sollte ich dazu sagen, so kam es.

Wieder einmal mehr stand eine Schlechtwetterperiode mit starken Winden bevor. Marcel machte sich schlau und wir entschieden uns, die Westfjorde zu verlassen und Schutz etwas Süden zu suchen.  Unglaubliche Wetterstimmungen begleiteten uns auf diesem dreistündigen Weg. Regen, Sonne, beides zusammen, Regenbogen und so weiter.

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