Sanddünen - Tiznit

Entlang des Atlantischen Ozeans fuhren wir weiter in den Süden. Dabei trafen wir auf erste Sanddünen. Weiter ging es in die Wüstenstadt Tiznit, wo wir die Neujahrsfestivitäten miterleben durften.

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Jacqueline
Über mich

Unser Weg weiter in den Süden führte uns entlang der Atlantikküste. Dort trafen wir zum ersten Mal auf Sand. Richtigen Wüstensand mit Dünen, die Tifnit-Sanddünen. Nun konnten Marcel und unser Troopy zeigen, ob die diversen Offroad-Workshops gefruchtet hatten. Als erstes war Luftablassen der Reifen angesagt, dann das Sperren der Freilaufnaben der Vorderräder, Zuschalten des 4x4 und dann konnte es los gehen.

Luftablassen für die Sandfahrt

Es fühlte sich für mich ungewohnt, am Anfang sogar unangenehm an, wie wenn man auf Schnee fahren würde. Troopy hatte gerne die Tendenz etwas zu rutschen, die Fahrt war leicht schwammig. Aber ich gewöhnte mich schnell daran und konnte es dann richtig geniessen. Wohlgesagt als Beifahrerin. Ich war erleichtert, dass Marcel am Sandfahren richtig Spass hatte – das Kind im Manne. Wäre ich gefahren, wäre mein persönlicher Spassfaktor sicher bei Null gewesen. Es erinnerte mich an Island, wo wir auf den fantastischen schwarzen Lavasandpisten fuhren. Der Untergrund war samtweich und die Fahrt sanft und sehr ruhig. Gelber, unberührter Sandstrand, Menschenleere, rauer Atlantik, die Stimmung war einfach fantastisch! Leider konnten wir nicht bis zur Kleinstadt Tifnit durchfahren, da die Flut die enge Passage versperrte.

Auf Pisten etwas weiter landeinwärts fuhren wir weiter in Richtung Süden. Wir liessen uns Zeit und trafen ein paar Tage später in Tiznit ein. Tiznit, auf unserer Reise die erste Wüstenstadt im Süden Marokkos.

Zum Glück gibt es Navigationsgeräte. Wir hätten keine Chance, den richtigen Weg zu finden.

Der Grossteil der Bevölkerung sind Berber. Die Berber nennen sich aber in ihrer eigenen Sprache (Tamazigh) als Imazighen, was so viel wie «freie Menschen» bedeutet. Was verständlich ist, da der Terminus «Berber» sich vom griechischen Begriff bárbaros ableitet, was «fremdartige Menschen mit niederer Kulturstufe, die die griechische Sprache nicht oder nur gebrochen beherrschen» bedeutet. Die Römer und später auch die Araber übernahmen den Begriff. Die Araber übersetzten ihn sogar in «Barbar» was so viel wie «rohe, unzivilisierte, ungebildete Menschen» bedeutet. Tamazigh (die entsprechende Schrift Tifinagh) ist nebst Arabisch, die zweite offiziellen Sprache Marokkos. Im Norden Marokkos, der Westsahara und um Sidi Ifni wird zusätzlich Spanisch gesprochen. Französisch wird im gesamten Land als Handels-, Bildungs- und inoffizielle Arbeitssprache benutzt. Heute gewinnt aber Englisch als Sprache der Jugend immer mehr an Bedeutung.

Tiznit hat sich zum Zentrum des Kunsthandwerks der Gold- und Silber-Schmiede entwickelt. Hier wird die Kunst der Filigran-Arbeit praktiziert, bei der feinste Edelmetalldrähte über die Zwischenstation kleiner Ornamente unter anderem zu Ohrringen, Armbändern und Halsketten verarbeitet werden. Aber auch Berberschmuck mit Glasperlenaufsätzen und Emaileinlagen wird hier hergestellt. Gold- und Silberschmuck ist in Marokko vor allem bei Hochzeiten von grosser Bedeutung, wobei die im Norden lebenden Araber traditionell Goldschmuck, die Imazighen/Berber des Südens hingegen Silberschmuck bevorzugen.

Die Altstadt von Tiznit hat eine im Jahr 1882 fertiggestellte sechs Kilometer lange Lehm-Stadtmauer mit 36 vorspringenden Türmen und acht Stadttoren.

Stadtmauer

Es gibt in Tiznit eine kleine Medina, einige Handelsplätze und den arkadengesäumten Hauptplatz Place du Méchouar.

Die Grande Mosquée (Grosse Moschee) mit ihrem von hölzernen Querstangen geschmückten Minarett, das möglicherweise auf schwarzafrikanische Einflüsse hinweist, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut.

In der Nähe befindet sich die Brunnenanlage «Source bleue».

«Assguass Amggaz!» (Frohes Neues Jahr!) lautet ein Neujahrswunsch auf Tamazight. Die Jahrtausend alte Festlichkeit «Yennayer», wörtlich «erster Monat» oder auch als «Tor des Jahres», wird in Marokko jedes Jahr am 13. Januar in das neue Jahr hineingefeiert. Dieses Datum entspricht dem ersten Januartag des Julianischen Kalenders, 12 Tage später als im gregorianischen Kalender. Das gregorianische Jahr 2023 entspricht dem Jahr 2973 des Berberkalenders.

Mythologische Hintergründe des Yennayerfestes:

Es soll einmal eine alte Frau gegeben haben, die keinen Respekt vor dem Winter hatte. Die Natur bestrafte sie dafür, dass sie dem Winter nicht genügend Beachtung und Demut entgegen brachte, wie den anderen Jahreszeiten. Deshalb nahm sich der Januar einen Tag vom Februar und verlängerte somit den Winter. Ein Rind der alten Frau starb durch die klirrende Kälte, die die Natur ihr schickte und so lernte sie ihre Lektion, den Winter zu respektieren. Der Monat Januar verkörpert die kräftige und strenge Natur. So feiern und ehren jedes Jahr die Imazighen diesen Tag, aus Angst, dass sich diese Geschichte wiederholen könnte. So wird das gemeinsame Essen zum Familienritual. Am meisten wird ein Hahn geopfert. Das Ritual soll die Familie vor Unglück, Flüchen und Pech schützen. Die ganze Familie, manchmal der ganze Clan, kommt zusammen, um Couscous mit Hühnergerichten zu essen. Es werden den ganzen Abend Süssigkeiten und Trockenfrüchte verteilt, wie z.B. Granatäpfel, Feigen und Datteln. Die Erwachsenen sind die ganze Nacht beschäftig, den Kindern die Geschichte von Yennayer und anderen Mythen zu erzählen, um das Vermächtnis zu pflegen und die Kultur zu wahren.

Wir blieben längere Zeit in Tiznit und genossen die Stimmung, die Bewohner, das Treiben und die Yennayerfestlichkeiten dieser Wüstenstadt.

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