Marcel hatte von mir den Auftrag erhalten, uns so schnell wie möglich in den Süden, in die Wärme zu bringen. Gesagt, getan. Marcel plante für uns fünf Etappen. Alle Etappen auf Landstrassen, die uns über die Pyrenäen und durch das Landesinnere von Spanien in den Südosten, nach Águilas führten. Es waren sportliche Etappen, nicht auf die geplanten Kilometer bezogen, sondern auf die Fahrdauer. Bei unserem Start war es eisig kalt.
Wir durchfuhren bergige Gebiete mit vielen engen Kurven – Wehmut überkam uns manchmal, dies wären super Etappen mit unseren Töffs gewesen – einzig das Wetter hätte da nicht mitgespielt. Unsere stetigen Reisebegleiter waren der Nebel und Regen.
Wir durchfuhren wilde Nationalparks, kaum besiedeltes Gebiet und wie ausgestorben wirkende Dörfer und kamen unter anderem am berühmten Viadukt von Millau vorbei.
Langsam, aber sicher tasteten wir uns dem Süden entgegen. Wie gesagt, die Etappen waren für mein Empfinden teilweise lang, aber das Angenehme war, dass wir uns jetzt beim Fahren abwechseln konnten. Derjenige, der nicht fuhr, konnte sich entspannen, die Landschaft geniessen und uns mit Hintergrundinformationen auf dem Laufenden halten. Troopy zeigte sich von der verlässlichen Seite, er brachte uns von Etappenziel zu Etappenziel – na ja, manchmal musste er sich sehr anstrengen, vor allem wenn es steil bergaufwärts ging, da zeigte er sich von seiner sehr gemütlichen Seite.
Unterwegs übernachteten wir in einfachen Hotels. Wir hatten uns vorgenommen, uns mit dem Innenleben von Troopy auf einem Campingplatz – in geschütztem Rahmen – auseinanderzusetzen.
Am 25. Dezember erreichten wir Águilas an der Costa Cálida in der Region Murcia. Diese Küste ist sehr regenarm und bekannt für die warmen Wintertemperaturen. Und tatsächlich, am Tag Temperaturen um die 15 Grad – wohlgemerkt im Schatten gemessen. In der Sonne für uns Bleichgesichter manchmal kaum aushaltbar. In der Nacht kann es aber merklich kühler werden. Dass dieser Mittelmeerküstenstreifen sehr beliebt ist, fiel uns sofort auf. Es hatte Wohnmobile, Büslis und Wohnanhänger à go go. Die Campingplätze sind voll, die Stellplätze überfüllt.
Mit viel Glück ergatterten wir uns einen hübschen und intimen Platz, mit sehr sehr netten Nachbarn auf einem Campingplatz. Wir entschlossen uns, hier die Sonne zu geniessen, die kleine Küstenstadt Águilas zu erkunden und uns uns mit Troopys-Innenleben anzufreunden.
Auf Empfehlung einer sehr guten Spanienkennerin blieben wir auf dem sehr begehrten Campingplatz bis nach dem bedeutendsten spanischen Weihnachtsfeiertag – Dìa de los Reyes Magos/3 Königstag. Dies ist der Festtag, an dem die Kinder ihre Weihnachtsgeschenke erhalten. Zudem, wie auch bei uns in der Schweiz, kennen die Spanier den Brauch des Dreikönigskuchens. Allerdings beinhaltet der Kuchen, nebst der sehr begehrten Königsfigur auch noch eine Bohne. Derjenige, der die Königsfigur hat, erhält die Krone. Derjenige, der in seinem Stück Kuchen die Bohne finde, muss den Kuchen bezahlen. Andere Länder, andere Bräuche.
Einen weiteren spannenden Brauch der Spanier durften wir an Sylvester kennenlernen. Bei jedem Glockenschlag um 12 Uhr Mitternacht stecken sie sich eine Weintraube in den Mund, wünschen sich etwas, und schlucken die Traube runter. Eine echt stressige Angelegenheit. Da es leider ab und zu passierte, dass sie sich dabei verschluckten und sogar starben, wird heutzutage in gewissen Ortschaften und Städten der Glocken-Sekundenschlag auf 3 Sekunden ausgeweitet. Nicht nur mit dieser Tradition, sondern auch mit dem Finden von 12 Wünschen wäre ich restlos überfordert.
Zwei Wochen waren wir hier. Es kehrte so etwas wie Routine ein. Wir wussten langsam, wo was verstaut ist. Die dauernde Suche hatte etwas abgenommen. Alles funktionierte, vor allem die Heizung, die zu Beginn etwas gezickt hatte. Das Kochen mit zwei Gasstellen funktionierte hervorragend, draussen wie auch drinnen und - wer hätte es gedacht – es machte sogar Spass.
Nichtsdestotrotz, das Essen im Restaurant genossen wir nach wie vor.
Die Hausarbeit war sehr schnell erledigt. Die Stromversorgung mit unserer Solaranlage lief auch gut. Einzig die Wasserpumpe macht für meinen Geschmack etwas zu viel Lärm. Und das Wichtigste, wir schliefen super. Wir hatten genügend Platz, die Matratze war für ihre geringe Dicke fantastisch bequem. Auch hatten wir es wohlig warm, lediglich am Kopf wurde es manchmal etwas kühl. Abhilfe schaffte da meine Wintermütze. Zum Glück musste ich mich nicht selbst anschauen und mein weltbester Ehemann ist diesbezüglich sehr grosszügig.
Die Zeit war gekommen. Wir entschieden uns, mit dem Erkunden Andalusiens zu beginnen. Wir fuhren entlang der Küste. Knapp 20 Kilometer von Águilas entfernt nahmen wir eine Naturstrasse, die uns in eine einsame Bucht direkt am Meer führte.
Das Wetter war gut und wir blieben für einige Tage. Nur wir und sonst niemand anders.
Fantastische Stimmungen, herrliche Abende und unvergessliche Sonnenaufgänge.
Was braucht man noch mehr, um glücklich zu sein? Wir nichts. Schlechtwetter war angesagt. Wir entschieden uns, einen kleinen Campingplatz aufzusuchen, damit wir unter anderem unsere Depots (der ganze Wassertank war aufgebraucht, trotz lauter Pumpe, spielt ja in der freien Natur, ohne Nachbarn keine Rolle mehr, auch die Lebensmittel gingen zur Neige etc.) auffüllen und Büroarbeiten erledigen können.
Dann geht es wieder weiter, wohin? Das wissen wir noch nicht, wir lassen uns treiben.