Regen – Fitness in den Töff-Klamotten – Wenig Kulinarik
Bereits am Morgen ziehen wir unsere Regenkleidung an. Es ist regnerisch. Unsere Fahrt nach Súðavík führt uns auf wunderbaren unbefestigten Strassen, entlang von malerischen Fjorden, über den Dynjandisheiði-Pass zum bekannten Dynjandi-Wasserfall. Es hat sehr wenig Verkehr, einziger Wermutstropfen an diesem Tag ist das Wetter. Es nieselt und regnet immer wieder. Diesen regnerische Tag können wir diesmal nicht «aushocken». Wir müssen weiter, denn die Unterkünfte sind ja bereits gebucht, unsere Reise durch die Westfjords ist durchgetaktet.
Der Dynjandi-Wasserfall, der höchste Wasserfall im Gebiet der Westfjorde, liegt im Arnarfjörður direkt an der Strasse Nr. 60. Er stürzt sich von der Hochfläche Dynjandisheiði über zahllose Stufen rund 100m in die Tiefe und wird dabei immer breiter. Deshalb wird er auch oft als Brautschleier-Wasserfall bezeichnet.
Wir erklimmen die zahllosen Stufen zum Wasserfall. Hochwandern ist generell anstrengend, jedoch mit unseren schweren und «gstappligen» Töff-Klamotten …! Dennoch lohnt sich die Mühe, der Blick von oben ist spektakulär. Ausserdem werden wir mit einem wunderbaren Regenbogen belohnt.
Weiter geht die Fahrt. Kurz nach dem Wasserfall müssen wir zuerst noch eine Neustrasse-Baustelle hinter uns bringen. Die ganze Fahrbahn ist über mehr als 1 km aufgerissen und mit Kiesel und Sand gefüllt. Dies ist eine der anspruchsvollsten Fahrten, da der Untergrund mehr als lebendig ist.
Entlang der Fjorde führt uns der Weg nach Ísafjörður. Weil das Wetter nicht so erquickend ist, kürzen wir die Fahrt durch einen neu gebauten Tunnel ab. In Ísafjörður stoppen wir, um unser Abendessen einzukaufen. Das Angebot an Lebensmitteln in Island - mit Ausnahme der "Grossstädte" - ist überschaubar. Es gibt einfach das Notwendigste. Kaum Frischprodukte. Auch die Auswahl bei den Milchprodukten ist klein, bei den Joghurts gibt es meist nur zwei oder drei Geschmacksrichtungen (Erdbeere, Vanille und wenn man Glück hat, noch Banane). Fleisch und Fisch, vor allem Lamm und Cod (Kabeljau) hat es genügend. Als Vegetarier in Island zu überleben, kann ich mir nur sehr schwer vorstellen. In den Lebensmittelgeschäften wird mir sehr bewusst, dass Island kaum Landwirtschaft betreibt und fast alles importieren muss. Dabei kann es immer wieder zu Lieferengpässen kommen, dementsprechend sind die Regale oftmals leer. Umso mehr bewundere ich die Kreativität der isländischen Köche, vor allem jener, in ländlichen Gebieten. Was mir auffällt ist, dass das Süsse nicht so süss und das Salzige nicht so salzig ist wie bei uns in der Schweiz. Ausser, wenn der Koch frisch verliebt ist, was wir auch erlebt haben. Ob dies eine angeordnete Regulierung der Gesundheitsbehörden ist, wissen wir nicht. Auch alkoholische Getränke zu kaufen, erweist sich nicht als ganz einfach. Alkohol darf ausschliesslich in speziellen Staatsläden und in Gaststätten mit einer speziellen Lizenz verkauft werden. Supermärkte verkaufen nur Leichtbier. Zudem sind die Öffnungszeiten dieser Liquor-Stores sehr eingeschränkt, oftmals sind sie nur am Nachmittag für ein bis zwei Stunden geöffnet. Nach dem Einkaufen fahren wir weiter in unser Guesthouse in Súðavík. Wir kochen uns ein einfaches Abendessen und hoffen auf einen schönen und sonnigen nächsten Reisetag.
Sonnenschein – Panne – Strapazierte Nerven
Wow, die Sonne scheint. Die Welt ist für uns wieder in Ordnung. Wir haben uns kurzerhand entschlossen, unsere Tagesetappe zu verlängern und vor der Weiterfahrt Richtung Osten, einen Abstecher zu machen. Bei perfektem Wetter und anspruchsvollen, aber wunderbaren Gravel-Roads fahren wir hinauf auf die Breiðabólsdalur-Anhöhe. Danach geht es bis zu 15% steil hinunter zur Skálavik-Bucht. Bei Sonnenschein präsentiert sich das Tal in einem wunderbar leuchtenden Grün. Bis unmittelbar an die Bucht erstrecken sich die Wiesen. Das Meer, so blau und lieblich. Einfach herrlich.
Den gleichen Weg, wie wir gekommen sind, geht es wieder zurück. Steil hinauf, der Sonne entgegen. Kurz vor der Anhöhe höre ich ein mir unbekanntes Geräusch (höre Video), welches mir gar nicht gefällt. Ich kann das Gas nicht mehr zurückdrehen. Bei der ausführlichen Inspektion von Marcel kommt es definitiv zum Gaskabel-Bruch. Sch…..e. Was würde ich ohne meinen besten Ehemann der Welt - der selbstverständlich Ersatzteile bei sich hat, natürlich auch ein Reserve-Gaskabel - machen? Dasitzen, verzweifelt sein, weinen, mich selbst bedauern und vor allem mich fragen, wie in aller Welt komme ich hier wieder weg. Während Marcel die Situation am analysieren war, hält ein 4x4 Geländewagen an. Der Fahrer fragt uns, ob wir Hilfe bräuchten. Wir erklären ihm die Situation. Es stellt sich heraus, dass er Deutscher ist, zudem noch Fahrzeug-Ingenieur, was braucht man/frau da noch mehr? Der Allrounder Jay, seine bezaubernde Frau Uschi und ihre zwei wundervollen Kinder offerieren uns ihre Hilfe. Die drei Männer reparieren meinen Töff und wir Frauen machen das, was halt Frauen so machen, plaudern.
Zudem werden wir von Uschi bewirtet, es gibt herrlich frischen und starken Espresso. Drei Stunden später ist mein Töff repariert, er läuft wieder wie am Schnürchen. Dank dieser Panne haben wir diese hilfsbereite und fantastische Familie kennen gelernt. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für alles, was ihr für uns gemacht habt 😘.
Unsere Fahrt geht weiter, wir durchfahren nochmals Súðavík, wo wir zuvor übernachtet haben, und fahren entlang der nächsten drei Fjorde. Am späten Abend kommen wir beim Etappenziel - einer entlegenen Farm - an. Da ich müde und auch emotional erschöpft bin, empfinde ich die letzte Naturstrasse nicht mehr so erquickend. Ich bin froh, dass wir ohne weitere Pannen angekommen sind. Das Schönste ist, dass ich an diesem Abend nicht kochen muss, sondern im Restaurant ein währschaftes Essen geniessen kann.
Fjorde und Robbie
Es folgen vier weiter Etappen entlang der Westfjorde. Das Wetter und auch die Stimmungen wechseln von Fjord zu Fjord. Wir haben auch hier riesiges Glück, dass wir von schwerem Regen verschont bleiben.
Die Etappen sind nicht lange, wir haben immer genügend Zeit für ausgiebige Spaziergänge und das Erkunden der Umgebung.
Die Guesthouses - in denen wir logieren - liegen oftmals sehr, sehr, sehr abgelegen, was da heisst, dass die Anfahrten meist sehr anspruchsvoll sind. Da Marcel die Unterkünfte organisiert hat, hat er in diesen vier Tagen oftmals den Status meines «weltbesten Ehemanns» verloren. Ich bin ab und zu an die Grenzen meines motorradfahrerischen Könnens geraten, mein Nervenkostüm musste leiden. Allerding musste ich immer wieder zugestehen, dass sich das Leiden gelohnt hat.
Wir sind jedes Mal mit einer grandiosen Szenerie belohnt worden. Bei einem einsam gelegenen Guest-House - direkt an der Küste - treffe ich auf eine Robbe. Sie ist sehr neugierig, schaut immer wieder nach, ob ich noch da bin. Ich nenne sie Robbie, Robbie die Hausrobbe. Dies ist für mich ein weiteres unvergessliches Erlebnis.
Auf all unseren Fahrten geniessen wir die Ruhe, machen oft Stopps bei Sehenswürdigkeiten u.a. bei der ältesten Kirche von Island ...
... und beim Kolugljúfur Canyon mit seinem Wasserfall.
Am Abend des vierten Tages treffen wir in Akureyri - mit 18.925 Einwohnern die viertgrösste Stadt von Island - ein. Nur Reykjavík und deren beiden Vororten Kópavogur und Hafnarfjörður sind grösser. Wir werden vier Tage in Akureyri bleiben, uns von der Reise entlang der Fjorde erholen und unsere Eindrücke verarbeiten. Am Abend unserer Ankunft in Akureyri geniessen wir ein delikates Abendessen in sehr netter Gesellschaft der zwei Damen, die wir eine Woche zuvor kennengelernt haben. Es ist ein schöner und gemütlicher Abend.