Das Wetter war herrlich. Allerdings wurde auf Ende der Folgewoche eine Verschlechterung angekündigt, Ausläufer eines Hurrikans, der über Florida tobte. Wir nutzten die Gunst der Stunde und wagten uns an die F210, die uns durch die unbewohnte Region Mælifellssandur führte. Mælifellssandur liegt zwischen dem Mýrdalsjökull (Mýrdalsgletscher) im Süden und dem Torfajökull im Norden. Es ist eine Wüstenregion ohne Vegetation, die von vielen Flüssen durchzogen wird. Im Zentrum der Wüste befindet sich der Mælifell, ein kleiner Berg, der Namensgeber für diese Region ist.
Auf dem Weg dorthin kamen wir am malerischen Holmsárfoss vorbei und fuhren am Öldufells, einem 818 Meter hohen Berg, entlang. Einmal mehr waren die Farben der Natur, die das Island-Licht hervorbrachte, gewaltig.
Dann galt es den Fluss Bláfjallakvís zu furten. Speziell an dieser Durchquerung ist, dass der Fluss direkt nach der Furt zu einem Wasserfall, dem Bláfjallafoss wird. Eine weitere von vielen anderen spektakulären Wasserdurchquerung. Diese Furt war nicht ganz ohne, wir hüpften mehr von Stein zu Stein, als dass wir fuhren. Aber zwischenzeitlich waren wir Furten-erprobt, uns brachte nichts mehr so schnell aus der Ruhe.
Es folgte grenzenlose schwarze Wüstenlandschaft. Aber diese Einöde langweilte uns nicht, denn der Wind, der durch diese Landschaft fegte, bildete immer wieder hübsche und tanzende Sandteufelchen.
Dann kam der Vulkan Mælifell. Eine beeindruckende Pyramide mit grünem Moos bedeckt, er hebt sich in der schwarzen Umgebung majestätisch ab. Wahrlich ein weiteres Wahrzeichen Islands.
Unser Tagesziel war der einsam liegende Hvanngil Campingplatz. Uli und Babsi hatten sich – wie immer – vorbildlich über die Pistenverhältnisse und Wasserquerungen bei den lokalen Rangern informiert. Die Piste sollte – trotz häufigen Regens – für unsere Fahrzeuge gut befahrbar sein. Einzig zu beachten seien die Durchquerungen der vielen sandigen kleineren Flussläufe. Da galt die Devise, nie anhalten, sondern zügig durchfahren. Und dann noch die Furt nach dem Hvanngil Campingplatz.
Diese Furt ist mit grossen Steinen durchsetzt. Zudem kann der Fluss viel Wasser führen, weil er ein Gletscherfluss ist. Was für uns heisst: Achtung Schmelzwasser = am Abend mehr Wasser als am Morgen und folglich auch tiefer. Diese Furt beunruhigte uns nicht, denn wir hatten ja die Absicht, die Nacht auf dem Campingplatz zu verbringen und diese Furt erst am nächsten Morgen zu nehmen. Wir folgten der F210, sahen die Abzweigung der Piste F261, die wir am nächsten Tag nehmen würden und dann kam eine letzte Furt vor dem Campingplatz. Uli fuhr voraus oder besser gesagt, er schwankte und hüpfte durch die Furt und beschleunigte am Schluss die Fahrt, damit er die kurze und sehr steile Ausfahrt bewältigen konnte. Wir folgten und unsere Fahrt durch den Fluss war ebenso unelegant, wie die von Uli. Mein Gott, was war das für eine Furt, sooooo etwas hatten wir noch nie gehabt und das Wasser war sooooo tief. Dann wurde es uns bewusst, das musste die kritische Furt gewesen sein, von der die Ranger sprachen. Sie war nicht nach dem Campingplatz, sondern vor ihm. Na ja, die Frage ist, aus welcher Richtung man es betrachtet. Es war kalt, der Campingplatz menschenleer, kein Ranger vorhanden. Wir fühlten uns nicht geborgen und beschlossen, dass wir trotz vorgerückter Stunde den Rückweg Richtung Süden antreten wollten. Plötzlich bemerkte Uli, dass es unter seinem Mercedes-Sprinter tropfte, oder korrekter formuliert, rann. Es stellte sich heraus, dass das Gehäuse des Differenzialgetriebes bei der Flussdurchquerung beschädigt worden war und nun Öl verlor. Stress pur!!! Fährt das Auto noch? Falls ja, wie lange? Falls nein??? Keine Antwort. Das Auto sprang an, es fuhr noch. Wie lange??? Brainstorming vom «Strübschten» war angesagt. Versuch, die Leckage abzudichten und den Sprinter «so schnell wie möglich» in eine Werkstatt zu fahren. Gesagt, getan. Unsere zwei weltbesten Ehemänner lagen unter dem Auto und dichteten die lecke ölige Stelle mit Marcels Rescue-Tape – das ihm anlässlich unseres ATW-Workshops empfohlen wurde – ab.
Es tropfte nicht mehr, aber dies war sicher nur eine Frage der Zeit. Also fuhren wir wieder los. Jedoch mit ungutem Gefühl, lag doch noch die besagte Furt vor uns und zudem schwebte noch das Differentialgetriebe-Damoklesschwert über uns. Marcel und ich entschieden gemeinsam, dass wir uns eine andere, bessere Linie für das Furten des Flusses suchten. Wir voraus, Uli mit seinem Mercedes-Sprinter hinterher, damit wir ihn auf der anderen Seite nötigenfalls herausziehen könnten. Wir fuhren etwas weiter links in den Fluss hinein. Zwei Meter weiter begann sich die Kühlhaube unseres Troopys nach unten zu richten. Troopy hatte die perfekte Tauchstellung eingenommen. Marcel stoppte sofort, legte den Retourgang ein und … es tat sich nichts. Die Räder drehten durch. Geistesgegenwärtig aktivierte Marcel sämtliche Differenzialsperren. Jedoch bewegte sich Troopy immer noch nicht. Weder der Vorwärts- noch der Rückwärtsgang griffen. Wir sassen im Wasser fest, auf irgendwelchen grossen Steinen und Marcel sagte zu mir: So mein Schatz, nun haben wir auch noch unser Auto ruinierte!!! Ich sagte nichts, was ja bei mir eigentlich nie vorkommt. Jedoch gingen Gedanken wie «das kann doch nicht sein, ich glaube an dich, mein weltbester Ehemann, du schaffst das» durch den Kopf. Mehrmals versuchte Marcel das Auto zu bewegen und tatsächlich, endlich griff der Retourgang. Er fuhr in seichteres Gewässer, wir durchquerten den Fluss und stoppten am anderen Ufer, stiegen aus dem Auto und fielen uns zitternd und küssend in die Arme.
Zwischenzeitlich hatte Uli auf der anderen Uferseite, der dies alles beobachtet hatte, seinen Neoprenanzug angezogen und durchwatete mit zwei Wanderstöcken das Wasser. Er suchte die grossen Steine ab und memorisierte sich zusammen mit Babsi den besten Weg durch den Fluss. Er machte dies genauso, wie man es eigentlich machen sollte: Zuerst schauen und dann fahren. Uli schaffte es, er brachte sich, Babsi und den Sprinter fehlerfrei durch den Fluss. Danach folgte eine der ruppigsten Strecken, die F261 Richtung Süden.
Es folgte noch eine weitere, nicht unwesentliche Furt, es dunkelte ein, es begann zu regnen, wir alle hatten kalt, waren emotional erschöpft und der Weg zog und zog sich hin. Aber …, der Sprinter fuhr und wie er fuhr bzw. Uli fuhr. Sehr, sehr zügig und zielorientiert, wir hatten richtig Mühe, ihm zu folgen. Zwischenzeitlich entschieden wir uns, uns zu trennen. Uli und Babsi hatten folgendes Ziel: Reykjavik so schnell wie möglich zu erreichen, denn dort gab es eine Mercedes-Werkstatt. Wir verkrümelten uns auf einen Campingplatz mit Restaurant, den wir vom vergangenen Jahr her kannten. Todmüde erreichten wir den Campingplatz und gönnten uns zum Tagesabschluss ein schönes warmes Mahl.