Zwischenzeitlich waren auch Babsi und Uli in Þingvellir eingetroffen. Wir entschieden uns, wieder gemeinsam weitere Teile des Isländischen Hochlands zu erkunden. Wir warteten einzig noch auf einen wenigstens 3-tägigen Good-Weather-Slot. Unser Ziel war der beliebte Hochlandcampingplatz Landmannalaugar ("Die Bäder des Volks").
Kaum gestartet wurden wir von Schafe eintreibenden Isländern gestoppt. Anfang Mai werden auf den isländischen Höfen die Lämmer geboren. Die Bauern haben dann alle Hände voll zu tun, denn schon wenige Wochen später sollen die Schafe in die Berge getrieben werden. Die erste Zeit draussen verbringen die Tiere auf den Wiesen in der Nähe des Hofes. Danach geht es aber weiter, auf die Hochebenen und in die Berge. Rund zwei Monate durchstreifen die Schafe das Hochland; nicht als Herde und nicht in der Begleitung eines Schäfers, sondern meist als „Dreierpack“: Mutterschaf und zwei Nachwuchsschafe. Die erwachsenen Tiere kennen sich bereits aus. Sie wissen, wo sich der Durst am besten stillen lässt, das saftigste Gras wächst und sich wohlschmeckende Kräuter finden. In sicherer Begleitung gedeihen und entwickeln sich die Lämmer schnell. Für alle Beteiligten ist es die absolute Freiheit! An den südlichen Hängen Islands grasen dann mehrere Tausend Schafe für über zwei Monate frei in den Bergen, bis sie im Herbst in einem spektakulären Trieb zusammengesammelt und zurück auf die Höfe geholt werden. „Göngur“ nennt man dieses Ereignis - übersetzt Schafabtrieb – und es gehört zu den grössten Ereignissen der Insel. Ganze Familienverbände schliessen sich zusammen, um an der Suche nach den Tieren teilzunehmen. Und dann geht es los: auf robusten Pferden, mit bunten Pickups oder sogar geländetauglichen Motorrädern und Quads. Zu Fuss geht’s auch – eben ein bisschen langsamer … Eine Sisyphusarbeit. Dann gibt es „Réttir“, das Ereignis, bei dem jeder Bauer seine Schafe aus der gesamten Herde aussortieren muss: In einem runden Pferch in der Mitte werden zunächst alle Tiere versammelt. Von diesem Pferch gehen wiederum kleinere Gehege strahlenförmig ab, sodass das Ganze von oben aussieht wie eine Torte mit einzelnen Stücken. Jedem Bauern wird ein „Tortenstück“ zugewiesen, in das er seine Schafe treiben soll. Da die Vierbeiner alle an den Ohren markiert sind, geht das Ganze recht gut. Viele Bauern erkennen ihre Schafe auch „einfach so“. Wenn alles vorbei ist und jeder Bauer seine Schafe zusammen hat, geht es wieder los; zu Fuss, diese letzte Strecke, bis zum Hof und dem vertrauten, warmen Stall.
Auf der Piste F225 ging es für uns wieder ins Hochland. Vorbei an der Hekla einem 1491 Meter hohen und immer noch sehr aktiven Vulkan. Im Jahr 2000 brach die Hekla zum bisher letzten Mal aus. Das gigantische Vulkanfeuer war bis Reykjavik zu sehen. Da Hekla in ihren aktiven Phasen mit erschreckender Regelmässigkeit alle 10 Jahre ausbrach, gilt dieser Vulkan inzwischen als „überfällig“ und wird sehr genau beobachtet.
Landmannalaugar ist ein riesiges Gebiet von atemberaubender und einzigartiger Schönheit im Herzen des südlichen Hochlandes von Island. Landmannalaugar ist ein sehr aussergewöhnliches Gebiet, sowohl geologisch als auch ästhetisch. Die dramatische Region liegt eingebettet neben dem rabenschwarzen Laugahraun-Lavafeld, einer ausgedehnten Fläche getrockneten Magmas, das sich ursprünglich bei einer Eruption im Jahr 1477 bildete. Landmannalaugar selbst besteht aus windgepeitschten Rhyolithbergen, einem Gesteinstyp, der ein volles Spektrum schillernder Farben erzeugt. Schattierungen von Rot, Rosa, Grün, Blau und Goldgelb sorgen für einen unglaublichen Anblick. Historisch gesehen war Landmannalaugar vor allem für seine natürlichen geothermischen Bäder bekannt, daher der Name. Jahrhundertelang diente diese Gegend müden Reisenden, die diese wohltuenden Quellen als Mittel zur Entspannung nach anstrengenden Reisen nutzten, als Zufluchts- und Erholungsort.
Wir gönnten uns einen Tag in Landmannalaugar und bewanderten den See Frostastaðavatn, der ca. 5 km nördlich von Landmannalaugar liegt. Die Umgebung des Sees zeugt von aktivem Vulkanismus. Zwei Lavafelder, das Námshraun, ein Lavafeld aus Rhyolith mit einem grossen Lavafall und das Norðurnámshraun reichen im Süden bis an bzw. in den See. Der See besticht je nach Wetter durch die auffallend grüne bzw. blaue Farbe seines Wassers.
Am nächsten Tag ging es durch atemberaubende Landschaften und unzählige Furten wieder an die Südküste von Island.