Die Sonne blinzelte endlich wieder mal durch die Wolkendecke. Unser Zeichen, mit der Island-Erkundungstour fortzufahren. Wir mussten uns nur noch entscheiden: Wohin? Uns zog es wieder ins Hochland. Die Region um den Faxafoss kannten wir bereits von unserer letztjährigen Motorradreise. Dennoch liessen wir es uns nicht nehmen, bei den Geysiren und am Gullfoss einen Stopp einzulegen.
Dies war ein guter Entscheid. Der Gullfoss ist einer der imposantesten Wasserfälle Islands. Aber was er dieses Jahr bot, war eine wahre Naturgewalt. Dort wo Marcel im letzten Jahr liebliche Stellen mit bemoosten Steinen im Wasserfall fotografierte, gab es nur Wasser. Unmengen von Wasser. Der Wasserfall tobte. Riesige Wassermengen tosten den Wasserfall runter und produzierten mit Hilfe des Windes eine so starke Gischt, dass man gut bedient war, wasserdichte Kleidung zu tragen. Für das Tüpfchen auf dem «i» sorgten die dunklen Wolken. Die Stimmung, die sich uns bot, war überwältigend und machte mich demütig.
Die F338 führte uns nach diesem Besuch ins Hochland. Kurzerhand entschieden wir uns, einen Abstecher entlang des Berges Fagradalsfjall an den Hagavatn See zu machen. Plötzlich riss die tief dunkle Wolkendecke auf. Die wenigen Sonnenstrahlen, die hindurch drangen, lösten eine wahre Farbenexplosion aus. Die surreale Umgebung veränderte sich zu einer magischen Landschaft. Während wir diese Atmosphäre aufsogen, verdunkelte sich der Himmel wieder, öffnete seine Tore und es begann zu schütten. Wir entschieden uns daher, den Rückweg anzutreten.
Am nächsten Tag wurden wir von der Sonne geweckt, es war ein Prachtstag. Los ging es. Der Kjalvegur - die F35 - führte uns ins Hochtemperaturgebiet Kerlingarfjöll mit seinen Tafelvulkanen aus Rhyolith-Gestein, seinen Heisswasserquellen, Fumarolen und den fauchenden Solfataren. Einmal mehr durften wir eine Farbenwelt der Extraklasse erleben.
Unser Tagesziel war der Hochlandcampingplatz Hveravellir mit seinen Naturhotpots. Wir waren darauf eingestellt, dass wir dort ein dicht-an-dicht Stelldichein antreffen werden – die F35 ist eine Hochlandpiste, auf der man keine Flüsse durchfurten muss und sie ist deshalb bei den Island-Reisenden sehr beliebt– aber siehe da, es hatte an diesem Tag nur wenig Reisende, wir trafen hauptsächlich Schweizer an?! Die Nacht war klar und plötzlich um ca. 22.00 Uhr begann das Schauspiel. Wir sahen Nordlichter, nein, es waren nicht nur einzelne kurz aufflackernde Nordlichter, es war eine ganze Nordlichter-Show. Überwältigt von all den Tageseindrücken sanken wir in einen tiefen Schlaf.
Der nächste Tag führte uns wieder an die Nordküste von Island. Wir entschieden uns für einen Campingplatz, der als hübsch und gepflegt beschrieben wurde. Grosses Staunen. Als wir eintrafen bemerkten wir, dass wir diesen Campingplatz bereits kannten!? Es war derjenige mit den hübschesten WC-Häuschen Islands und oje, es war auch dieser Campingplatz mit den aggressiven Stechfliegen. Es bestätigte sich auch diesmal, wir teilten uns dieses grosse Areal mit tausenden Plagegeistern, die uns am nächsten Tag wiederum in die Flucht trieben.
Unweit davon, im nächsten Fjord Hrútafjörður fanden wir den Sæberg Campingplatz. Der perfekte Ort, um all die Eindrücke der vergangenen Tage zu verarbeiten, was uns allerdings sehr schwerfiel, denn es kamen Neue hinzu. Es folgten weitere sonnige Tage, die wir oftmals im Campingplatz-eigenen Hotpool verbrachten, grandiose Abendstimmungen und weitere Nächte mit Nordlichtern.
Die Zeit für den Aufbruch war gekommen, denn wir wollten Babsi und Uli wieder treffen.
Treffpunkt war die geologisch interessante und geschichtsträchtige Region Þingvellir, zu Deutsch Thingvellir. Zur Zeit der Besiedlung liefen in Þingvellir Reitpfade aus allen Teilen des Landes zusammen. Hier, auf dem Thingplatz wurde bereits um das Jahr 930, also am Ende der Landnahme durch vor allem norwegische Wikinger, einmal jährlich während zwei Wochen im Juni eine traditionelle Versammlung (Altthing) abgehalten, die sowohl gesetzgeberische als auch gerichtliche Funktion hatte. Es handelt sich um eines der ältesten Parlamente der Welt. Das Althing bestand bis 1798, als die Dänen es auflösten. An diesem Ort und im weiteren Umfeld wird auch das Auseinanderdriften der amerikanischen und eurasischen tektonischen Platten durch imposante Felsspalten und Risse sichtbar, vor allem an der Almannagjá (Allmännerschlucht) oder auch der Silfra-Spalte.
Die Silfra-Spalte hat sich zu einer weiteren touristischen Attraktion in Island entwickelt. Im glasklaren und kalten Wasser des Flusses Öxará, der durch die Spalte fliesst, kann man zwischen der nordamerikanischen und eurasischen Kontinentalplatte tauchen.