Heisses Land – Wasser - Wellblechpiste
Unser nächstes Etappenziel liegt wieder an der Nordküste Islands. Der Weg dorthin führt uns nochmals am Mývatn-Naturbad vorbei zum Hverarönd Gebiet, auch Hverir genannt. Das vulkanisches Hochtemperaturgebiet Hverarönd liegt am Fusse des Berges Námafjall. Es ist eines der berühmtesten Gebiete in Island. Dort befindet sich ein ausgedehntes Vulkansystem mit zahlreichen Kratern, endlosen Lavafeldern, Schlammtöpfen, Fumarolen bzw. Solfataren. Solfataren sind bis zu 250 °C heisse Fumarole, welche Gase ausströmen, die hauptsächlich Schwefelwasserstoff, Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf enthalten. Der Schwefelwasserstoff ruft den unverwechselbaren Geruch nach faulen Eiern hervor. Ich empfinde den Geruch als aushaltbar, er weckt in mir keine Übelkeitsgefühle. Kann sein, dass es am leichten Wind liegt oder daran, dass mein Geruchskolben nicht mehr der Jüngste ist. Obwohl Hverir ein Hotspot ist, hat es sehr wenig Touristen, was den Besuch für uns richtig angenehm macht.
Danach entschieden wir einen Umweg zu machen. Wir erklommen zuerst mit den Töffs, dann zu Fuss den Vulkan Krafla mit dessen See Víti. Víti heisst auf Isländisch «Hölle». Er entstand 1724 bei einer Dampfexplosion, die ungefähr 5 Jahre andauerte. Diese Ausbruchsserie ist unter dem Namen Mývatnfeuer bekannt. Der See hat einen Durchmesser von 320 m und ist etwa 33 m tief.
Am Fusse des Kraflas befindet sich eines der fünf Geothermal-Kraftwerke Islands. Diese fünf Kraftwerke decken ca. 25 % der Elektroenergie von Island ab. Ausserdem liefert die geothermale Energie Wärme für Heizung und Warmwasser für circa 90 % aller isländischen Haushalte. Mit Erdwärme und Wasserkraft deckt Island 100 % seines Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen.
Und weiter geht es, zum nächsten Hot-Spot, dem Dettifoss. Der gigantische Dettifoss – zusammen mit unserem Rheinfall – gehört zu den grössten und wasserreichsten Wasserfällen Europas. Er wird vom mächtigen Gletscherfluss Jökulsá á Fjöllum gespiesen, der aus dem grössten Gletscher Europas, dem Vatnajökull, fliesst. Der tosende Wasserfall mit seinem grau braunen Wasser ist 100 m breit und stürzt 45 m in die Tiefe, in die Jökulsárgljúfur-Schlucht. Wer sich ein Bild und auch Ton machen möchte, wie so ein gigantischer Wasserfall tönt, dem empfehle ich den kleinen Film anzuschauen bzw. anzuhören.
Der Weg weiter Richtung Norden führt über einen Pass mit einer Naturstrasse. Die Empfehlung war, diesen Pass nur mit geländetauglichen 4x4-Fahrzeugen zu überqueren. Deshalb beschliessen wir, dass wir den ganzen Weg wieder zurückfahren und die Naturstrasse auf der anderen Flussseite nehmen, die uns dann wieder an die Nordküste bringen wird. Gesagt, getan. Bei der Einfahrt in die besagte Naturstrasse steht ein Schild, darauf steht – 864 Rough Road.
Es folgt eine 60 km lange, staubige, enge, nicht mehr endend wollende Wellblechpiste . Eigentlich wollten wir kurz vor unserer Ankunft noch den Ásbyrgi Canyon besuchen. Wir fahren hinein und direkt wieder hinaus. Wir sind einfach zu müde. Zum Glück finden wir eine für uns akzeptable Ausrede. Der Canyon liegt um diese Zewit bereits im Schatten. Wir werden ihn bei einer nächsten Islandreise besuchen und auch erklimmen.
Polarkreis – Bäume - Nordlicht
Unser nächstes Ziel ist Raufarhöfn. Die nördlichste Ortschaft von Island, lediglich 2 km vom nördlichen Polarkreis entfernt. Dort werden wir vier Nächte bleiben. Unsere Töffs und auch die Töff-Klamotten sehen vom Vortag total verstaubt aus.
Eine weitere Naturstrasse führt uns Richtung Norden. Den ersten Halt machen wir beim Kópasker-Leuchtturm, wo wir die wunderbare Morgenstimmung mit ihrer klaren Luft auf uns einwirken lassen.
Weiter geht die Fahrt – zum nächsten Leuchtturm - Hraunhafnartangi. Er ist der nördlichste Leuchtturm Islands und steht rund 800 Meter südlich des nördlichen Polarkreises. Um zum Leuchtturm zu gelangen, müssen wir einer Landzunge folgen. Während dieses Spaziergangs treffen wir auf viel Treibgut. Riesige Fischernetze, Bootsseile und viel Treibholz säumen den Pfad.
Generell hat es in dieser Region viel Treibholz, was von den Isländern früher - zum Teil auch noch heute - als Bau- und Brennstoff genutzt wurde. Island selbst ist heute nur zu etwa 2 % mit Wald bedeckt. Aufgrund von Aufzeichnung geht man davon aus, dass Island vor der Besiedlungszeit etwa 40 % von Vegetation bedeckt war, davon etwa die Hälfte Wald. Der grössten Verluste an Wald sind auf den früheren Schiffsbau und die immer noch extensive Weidewirtschaft zurückzuführen. Die freilaufenden Schafe verursachen Tritt- und Verbissschäden, die während der kurzen Vegetationsperiode in Island nicht ausgeglichen werden können. Heute findet man manchmal Bäume und auch kleinere Wälder, die Aufforstung hat begonnen. Die Bäume erreichen aber bei Weitem nicht die Höhe unserer Bäume. Was für uns auch seine positive Seite hat, man hat immer eine grandiose Fernsicht.
A propros Wald, dazu erzählt man sich in Island einen Witz: Was macht ein Isländer, der sich im Wald verirrt hat? Er steht auf!!
Der Spaziergang zum Hraunhafnartangi Leuchturm dauert nur ca. 3 km, was keine Distanz ist. Uns aber wiederum wegen den herrlichen Sommertemperaturen und den Töff-Klamotten zum Schwitzen brachte.
Weiter geht die Fahrt nach Raufarhöfn. Total haben wir auch an diesem Tag 100 km - zum Teil auf anspruchsvollen - Naturstrassen zurückgelegt. Wir freuen uns auf eine Dusche, frische Kleider und ein schönes Hotelzimmer. Die nächsten Tage geniessen wir die Ruhe.
An einem klaren Abend entscheiden wir uns, mal zu schauen, ob es bereits Nordlichter am Nachthimmel gibt. Von der Jahreszeit her, wäre es langsam möglich gewesen. Die Chancen sind aber sehr gering, auch weil der Vollmond kurz bevorsteht und der Himmel nicht total verdunkelt ist. Wir gehen zum «Arctic-Henge» - ein gutes Fotosujet und spannendes Steinmonument - dessen Bau im Jahre 2005 begann und bis heute noch nicht fertig gestellt wurde. Wir sind bis kurz nach Mitternacht dort – ganz alleine – in der Dunkelheit mit Mondschein. Die absolute Stille und die kühle Luft sind herrlich und der Mond sorgt für eine mystische Stimmung. Kurz vor Mitternacht flackert es am Himmel, wir sehen ein Nordlicht, es ist klein, aber es ist ein Nordlicht.
Überglücklich von all diesen Eindrücken kehren wir um 1:00 Uhr ins Hotel zurück.